Portugal ist Europameister 2016! Ja, Portugal ist Europameister. Auch beim mehrfachen aussprechen des Satzes klingt es noch sehr befremdend. In einem defensiv geführten Europameisterschaftsendspiel zwischen Ronaldos Portugal und dem Gastgeber der EM, Frankreich, konnte sich Portugal dank eines Sensationstreffers von Éder in der Nachspielzeit durchsetzen. Nach dem verlorenen EM-Finale 2004 im eigenen Land gegen Griechenland hat es Portugal dieses Mal geschafft den Titel zu gewinnen, und das ohne Weltstar Ronaldo!
Es war ein Finale der anderen Sorte. Für die Brisanz in der Partie sorgte nicht etwa das Offensivfeuerwerk der Mannschaften, sondern die Geschehnisse drum herum. Portugals unumstrittener Superstar Cristiano Ronaldo war Mittelpunkt des Abends, obwohl er nach rund acht Minuten gar nicht mehr richtig an der Partie teilnehmen konnte und nach 24 Minuten ausgewechselt werden musste. Was war passiert?
Verheißungsvolle Anfangsphase
Frankreich begann das Spiel wie gegen Deutschland zunächst sehr offensiv und attackierte Portugal weit in der gegnerischen Hälfte. Somit fing das EM-Endspiel sehr verheißungsvoll an. Nani, Pogba und auch Griezmann kamen in den ersten Minuten bereits zu den ersten Torchancen.
Frankreich hat von Trainer Descamps eine sehr robuste Marschroute bekommen. Die Franzosen, die mit sechs Legionären aus der Premier League antraten, fanden mit ihrer sehr körperlichen Spielweise gut in die Partie und gingen in den Zweikämpfen oft als erster Sieger heraus. Doch nicht immer wurde mit fairen Mitteln gearbeitet:
West Ham Uniteds Spielmacher Payet, eigentlich bekannt für seine filigranen Offensivkunststücke, ging in einen Zweikampf gegen Portugals Mannschaftskapitän Cristiano Ronaldo sehr aggressiv rein und erwischte den Superstar so unglücklich am Knie, dass er nach zweimaliger Behandlung in der 24 Minute letztendlich ausgewechselt werden musste. Damit war vielen klar, dass es an diesem Abend nur einen Sieger geben konnte…
Portugal wechselt nach Ronaldo-Auswechslung das System
Doch Trainer Fernando Santos suchte Mittel, um den Ausfall des Weltstars einigermaßen zu kompensieren. Für Ronaldo kam sein langjähriger Kumpel Ricardo Quaresma in die Partie, der sich auf die rechte offensive Außenposition positionierte. Santos stellte von einem 4-4-2 auf ein 4-2-3-1 System um. Nani war fortan die einzige Spitze.
Beide Mannschaften stehen defensiv gut
Frankreich hatte wie gewohnt mehr von der Partie und Portugal konzentrierte sich auf eine lupenreine Defensivleistung. Wie gewohnt zeigte sich Innenverteidiger Pepe kompromisslos hinten und steckte damit auch seinen Partner in der Innenverteidigung an. Die 6er beider Mannschaften (Pogba/Matuidi – Carvalho/Sanches) zeigten zudem eine perfekte Vorstellung. Sie ließen nichts anbrennen und fanden im Spiel nach vorne auch immer ihre Mitspieler, sodass von ihnen für die eigene Mannschaft keine Gefahr ausging. Dadurch wurde es für beide Mannschaften schwer, gefährliche Aktionen herauszuspielen. Wenn es nach vorne ging, dann immer im Eiltempo. Frankreich versuchte mit schnellen Aktionen, meistens über Griezmann oder durch Einzelaktionen des starken Sissoko, an das gegnerische Tor zu gelangen. Durchdachte und lang aufgezogenen Angriffe, wie es die DFB-Elf während der EM versuchte, waren Mangelware.
Newcastles Sissoko sorgt für Gefahr
Frankreich kam nichtsdestotrotz gerade in der ersten Halbzeit zu einigen guten Gelegenheiten:
Nach einer gut getimten Flanke von Payet köpfte Griezmann sehenswert in der 9. Minute auf das portugiesische Tor, doch Tormann Rui Patricio konnte mit einer Glanzparade retten.
Beim anschließenden Eckball gewann Giroud sein Kopfballduell, konnte das Leder aber auch noch nicht im Netz unterbringen.
Mit einem Solo-Sprint von Sissoko, dem besten Franzosen auf dem Platz, überlief der Spieler mehrere Portugiesen im Zentrum in der 21. Minute und kam zum Torschuss, welcher noch abgefälscht wurde und dadurch übers Tor ging.
Rund 10 Minuten später ließ Sissoko einen portugiesischen Verteidiger mit einem Trick im Strafraum stehen und zog scharf auf das Tor ab. Patricio konnte jedoch auch den Schuss entschärfen.
Danach geschah nicht mehr viel bis zur Pause.
Einwechslungen sorgen auf beiden Seiten für Aufwind
Die Hereingabe von Bayerns Coman für Payet in der 57. Minute war das Signal für die Franzosen zwei Gänge höher zu schalten. Der sprintstarke Spieler sorgte für eine frische Belebung um französischen Offensivspiel.
Erst legte Coman bestens auf Griezmann auf (65.)…
… und dann kommt er selber gefährlich vors Tor, ohne zum Torabschluss zu kommen (72.).
Die anschließende Ecke war auch brandgefährlich, doch Evra war im Fünfmeterraum zu überrascht, als er tatsächlich an den Ball kam.
Nur zwei Minuten später setzte sich Coman brilliant links gegen zwei Portugiesen durch und legte den Ball für Giroud auf, der in Portugals Torward jedoch seinen Meister fand.
Dann kam die 77ste Spielminute, und vieles sollte sich ändern. Descamps wechselte mit Gignac für Giroud Stürmer für Stürmer ein, während Santos mehr Risiko einging und mit der Hereinnahme von Stoßstürmer Éder für den laut eines schweizerischen TV-Moderators auf den „Felgen“ laufenden Mittelfeldmotor Sanches, Offensivkraft gegen Defensivkraft einwechselte.
Die Einwechslung belebte das portugiesische Angriffsspiel ein wenig. In der Schlussphase kam Portugal noch zu einer Doppelchance, als eine verunglückte Flanke von Nani noch gerade so von Torwart Lloris pariert werden konnte, und Quaresma mit seinem akrobatischen Seitenfallzieher ebenfalls am überragenden Lloris scheiterte.
Bis zum Abpfiff ging es nochmal rund. Nani und Sissoko versuchten sich beide mit einem Distanzschuss…
Quaresma verwechselte kurz die Sportart und umklammerte Koscielny mit einem Würgegriff nach einem Zweikampf…
und Gignac machte Frankreich um Haaresbreite zum Europameister, als er in der 91. Minute Pepe austanzte und denn Ball aus sechs Metern an den Innenpfosten der Portugiesen schoss.
So ging es in die Verlängerung, in der nun Portugal die klar besseren Chancen hatte. Das französische Team schien an ihre physischen Grenzen zu stoßen. Die aggressive Spielweise zeigte nun ihre Konsequenzen. Portugal hingegen zeigte sich sehr angriffslustig.
Éder schießt Portugal zum Europameister 2016 mit Traumtor
Erst köpfte Éder nach eine Ecke Lloris an, dann traf Dortmunds Neuzugang Guerreiro nach einem gut geschossenen Freistoß nur die Latte.
Und dann kam…… Éder!!!
Der eingewechselte Stürmer sorgte mit einem fulminanten Weitschuss für die Sensation bei der EM. Aus gut 20 Metern zog der kräftige Stürmer ab, überraschte dabei den bis dahin bei der EM fehlerlosen Lloris und traf unten links ins Tor. Bum! Tor! Wahnsinn!
Durch den Sensationstreffer wurde Portugal letztendlich zum Erstaunen vieler Europameister 2016. Auch Ronaldo konnte sein Glück kaum glauben und humpelte nach Spielende zu seinen Mitspielern, um ihnen zu gratulieren und zusammen den Titel zu feiern!
— Die Highlights des EM-Finales im Video —
https://www.youtube.com/watch?v=Nc4ff_kHg9o
Portugal: Europameister 2016